11. November 2021

THE LÄND, ein Zwischenruf von der dunklen Seite des Mondes von Thomas Heitlinger

Thomas Heitlinger

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THE LÄND,

ein Zwischenruf von der dunklen Seite des Mondes von Thomas Heitlinger

© 2021

 

Zur Vorgeschichte: Im Dezember des Jahres 2018 waren im Schloss zu Stuttgart die Mundart- und Dialektschaffenden des Landes Baden-Württemberg zum Thema Zukunft der Dialekte in Baden-Württemberg durch den MP Winfried Kretschmann geladen. Kurios war das gefühlt ca. 90% der Teilnehmer:innen allein aus Württemberg anwesend waren, aber das ist eine andere Geschichte.

 

Im Anschluss daran ergab sich im Februar/März 2020 eine Einladung zum runden Tisch Dialekt sowie parallel eine Einladung in den Landtag durch die Parteien CDU/SPD/FDP und B90/Die Grünen. Aus den mehrfachen Besprechungen beim runden Tisch resultierte im Mai 2020 eine Maßnahmenliste, in der die z.T. prekären Verhältnisse vor allem in den nördlichen Landesteilen zum Thema Dialektkultur und Wertschätzung durch das Land beschrieben wurden. Dort wurden auch Maßnahmen beschrieben, um eine Verbesserung der Situation zu erreichen. Eine weitere Umsetzung erfolgte nicht.

 

Um trotzdem den Stillstand zu lösen zu erreichen wurde im Bereich des Regierungspräsidiums Karlsruhe durch die lose Mundartautorengruppe aus privater Basis und auf eigene Kosten die „Badischen Gutsele“ eingerichtet, in denen neben der Repräsentation der Dialekte, eine Studie zum Stand der regionalen Kultursituation in 2020 sowie weiterhin mit 6 Symposien eine inhaltliche Diskussion auf hohem Niveau erreicht wurde.

 

In der Diskussion zeigt sich, dass in den Anrainerregionen Elsass, Hessen, Bayern und später auch in der Schweiz das Thema der regionalen Identität einen hohen Stellwert und mithin auch eine hohe Wertschätzung genießt, die durch die dortigen Administrationen ausreichend unterstützt und budgetiert wird. Im Vergleich dazu kann man in Baden-Württemberg allenfalls und wenn überhaupt von homöopathischen Bemühungen sprechen, die sich zudem schwerpunktmäßig auf einzelne Regionen konzentrieren. Dies auch immer wieder mit dem Hinweis auf eine fehlende finanzielle Möglichkeit im Land Baden-Württemberg seitens der Administration.

 

Im Oktober 2021 wird nun die Initiative THE LÄND durch das Land vorgestellt. Während der vorhergehende Slogan „Wir können alles, nur kein Hochdeutsch“ immerhin einen gemeinsamen Nenner in Gesamt-Baden-Württemberg bilden kann (denn dies gilt für beide Landesteile) ist THE LÄND ein reines Kunstprodukt, mit dem gemeinsamen Nenner, keinen gemeinsamen Nenner zu haben. In einer geradezu unglaublichen Hybris zeigt THE LÄND, dass auch Baden-Württemberg offenbar bis zum heutigen Tag ein Kunstprodukt geblieben ist. Dem ständig viel und hochgepriesenen Föderalismus zum Trotz zeigt THE LÄND eine Entwicklung hin zum Minizentralstaat mit einer gut ausgestatteten und hervorgehobenen Region in und um Stuttgart, die mit der Vernachlässigung der übrigen Regionen erkauft wird.

 

THE LÄND verkehrt damit den eigentlichen Zweck der Kampagne und stellt in der mittelfristigen Perspektive die Frage nach einer Neuorganisation der Länder. Aus heutiger Sicht ist es völlig unerheblich ob eine abgehobene Kampagne von einer großen Stadt wie Frankfurt oder München geführt wird. THE LÄND oder besser THE SOUTHWEST-AREA hätte aus jeder dieser Städte heraus platziert werden können. Beschränkt man die Verortung der Menschen allein auf Autos, Motorsägen und Maschinenbau sowie anderer industrieller Produkte so wäre tatsächlich der nächste konsequente Schritt aus Effizienz- und Identifikationsgründen schnellstmöglich eine Zusammenlegung der Länder mit Hessen und Rheinland-Pfalz oder gar Bayern anzustreben.

 

THE LÄND und das ist vielleicht ein positiver Beitrag wird die Emanzipationsbewegungen in den Regionen ungewollt weiter vorantreiben. Die Regionen müssen und mussten ohnehin lernen, ohne die Unterstützung aus Stuttgart zurecht zu kommen. Wer diesen Schritt nicht schafft, wird zunächst kulturell und anschließend wirtschaftlich untergehen.

 

Der Begriff Kulturdarwinismus verbunden mit einer neoliberalen Regional- und Kulturpolitik beschreiben damit die Situation am besten. Beides ist tief beschämend für ein Land wie Baden-Württemberg. Mit THE LÄND ist niemand in Baden-Württemberg geholfen, darum ging es ja nicht.

 

Erwartet hätte man aus Stuttgart übrigens Antworten zu konkreten Herausforderungen. Die Fragen der Zeit aus Digitalisierung, Internationalem Wettbewerb, oder Regionaler Identität bleiben weitgehend unbeantwortet.

 

THE LÄND repräsentiert nicht die Vielfalt der Regionen in Baden-Württemberg, dafür war die Kampagne ohne nicht gedacht. Sie zeigt jedoch auf erschreckend Weise die Einfalt der Landesregierung in Stuttgart, der die Regionen mehr oder weniger egal sind. 21 Millionen Euro hat THE LÄND gekostet. 21 Millionen für Regionale Identität (hierzu kann auch die Dialektinitiative gezählt werden) wären jetzt auch übertrieben gewesen. Selbst 210.000 Euro wäre viel Geld aber bereits 21.000 Euro ein Betrag, mit dem man etwas anfangen hätte könnte.

 

Zurück zur Einleitung und der regionalen Dialektinitiative. Angekommen zur Behebung der im Mai 2020 beschriebenen prekärer Verhältnisse im Kulturbereich (die durchaus anderen prekären Verhältnissen an Schulen oder der Coronabekämpfung nachgelagert sind) oder Mittel zur Weiterführung der Diskussion, angekommen sind hierfür genau 0 Euro.

 

Das Ausbleiben jeglicher finanzieller oder organisatorischer bzw. auch logistischer Unterstützung in diesem konkreten Fall wurde zwar mehrfach, zuletzt in einer Resolution im März 2021 durch die „Badischen Gutsele“ an die Landesregierung übermittelt, ohne hierfür eine zielführende Antwort zu erhalten.

 

Es wäre wünschenswert, wenn THE LÄND die überfälligen Diskussionen anregen würde, zum Beispiel wie eine gemeinsame DNA in Baden-Württemberg aussehen könnte. Allein die Diskussion darüber wurde bislang und sehr bewusst durch die Administration ausgesteuert.

 

Wenn dies gelänge, dann hätte sich THE LÄND wenigstens ein bischen gelohnt!

 

1 Kommentar

  1. Thomas

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