5. Januar 2025

Edgar Zeidler’s Sprachstub: Kaib, Kaiwebüe, kaiwele

Edgar Zeidler

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Kaib, Kaiwebüe, kaiwele
Kaib ist nicht gleich Kerl, wie in diesem Beitrag ersichtlich
Kaib gehört zu den Wörtern, deren Ursprung schleierhaft ist. Eigentlich bezeichnet Kaib ein Aas, illustriert durch diese Straßburger Redewendung:“ Ùff ebbs fàlle wie e Kràbb ùff e Kaib.“ Früher bezeichnete e Kaibàcker eine Müllhalde. Deren Gestank wurde im Sundgau mit, ‘s kaibelet, umschrieben. Das Verb kaible bzw. kaiwle bedeutet ’nach Aas stinken’. Sein Pendant verkaibe / verkaiwe hat drei Bedeutungen: verderben, verleumden und verschwenden (Schweiz).
Als Adjektiv wird kaiwe oder kaibe im Sinne von verwünscht oder nichtsnutzig eingesetzt: Dia kaiwe Büewe (Elsass). In Straßburg ist e kaiwischi Àrwet eine mühevolle Arbeit. Kaibig kann auch aggressiv bedeuten: “Mìt jùnge Katzle sott m’r nìt spìele, sùnscht ware se kaibig.“
Im erweiterten Sinn steht Kaib für einen Schuft. Geiler von Kaysersberg schrieb: „Seid wir Kaiben, so seind ihr Schelmen!“ Allmählich wurde Kaib nicht nur als Bestimmungs- und Schimpfwort, in Zusammensetzungen wie Lüskaib (Halunke), Frasskaib (Vielfraß), Süffkaib (Säufer) verwendet, sondern auch als Anerkennung von Schlauheit und Verwegenheit. So stehen Kaiwebüe, Kaibesiëch, Kaibekerl für Teufelskerl. Und e Kaiwesjockel kann ein furchtbar dummer oder ein schlauer Typ sein. Und wer Humor hat, sagt „Hundskaib“ anstelle von „Gsundheit“!
Mit Kaib kann man zahlreiche Adjektive assoziieren: e àrmer, dùmmer, schlauier, elander Kaib. Auch als Präfix im verstärkenden Sinn von ’sehr’ kommt kaib zum Einsatz: kaibedumm, kaibgern, kaiberiich, kaibscheen. Frisch aus Baden diese hochsommerliche Redewendung: „D‘ Sunn het kaibemäßig brennt un g’stoche.“
In Baseldeutsch wie überall im Dreyland ist kaib auch als Zusammensetzung gefragt, wie z.B.  Saukaib, Bschisskaib, Spinnkaib. Adjektivisch wirkt das Wort als Steigerung im Sinn von ’sehr’ oder ’schwierig’: Das isch kaibe guet. O, die kaibe Rächtschriibig! Ein Synonym von „Kaib“ ist in der Nordwestschweiz Siech: e glatte Siech, e dumme Siech. Offenbar sind versieche und verkaibe austauschbar. Klagte doch ein Basler beim Jasse: „Mit e letschte Stich het er no dr Matsch versiecht.“
Aus dem Althochdeutschen „koggo“ stammt Kog / Chog, gleichbedeutend mit Kaib, das in einigen Schweizer Dialekten noch verwendet wird. So wie die Verstärkungs-Adverbien für gut oder schön als cheibe guet und kaibe schöön daherkommen, hört man in Zürich choge guet und in Graubünden kooge schöön.
Und dass es in Waldkirch einen Skilift gibt, der Kaibenloch-Lift heißt, wissen nicht nur die Badener…
E. Zeidler, Peter Obrist, E.P. Meyer

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Mit freundlicher Genehmigung durch:

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