2. März 2025

Edgar Zeidler’s Sprachstub: Gruttle, grattle, gruschtle, gruuschdere

Edgar Zeidler

Kommentare

Gruttle, grattle, gruschtle, gruuschdere

Wer eine Verbindung zwischen grattle und die berüchtigte Grätsche im Fußball sucht, findet sie hier.
Das Verb gruttle ist vieldeutig. Im Elsass und in Baden, wo es grattle oder grätte heißt, bedeutet es herumkramen, suchend stöbern. Synonyme: gruschtle oder gruschte. Im Kraichgau steht Gruuschd für Gerümpel und gruuschdere für durchwühlen. Die Verbindung zu Gruschteli, altes Weiblein in Baden und Grùfti, alter Mann, Zittergreis in Basel, ist amüsant: „E Grùfti vo nüünzig Johr hèt àm Baanhof s Auti ùff em Drämmligleis parkiert.“ Ein neunzigjähriger Greis hat am Bahnhof sein Auto auf dem Tramgleis geparkt.
Gut zu wissen ist, dass der Grättel das gegabelte Teil am Hinterteil eines alten Bauernwagens ist. Wen wundert’s dann zu erfahren, dass grättig gespreizt bedeutet und grattle überheblich, mit gespreizten Beinen stehen? Unwillkürlich fällt einem als Fußballer die Grätsche ein, Sprung mit gespreizten Beinen, und das dazu passende Verb grätschen oder gräten, mit gespreizten Beinen springen, Begriffe, die übrigens Turnvater Jahn im 19. Jahrhundert in die Welt gesetzt hat. Nicht weit hergeholt ist wohl der Sinn von Grattel, nämlich Hochmut, Dünkel, Überheblichkeit. Wer in Baden e Grattel het, ist stolz und eingebildet.
Zurück ins Elsass, wo gruttle auch wimmeln bedeutet, Synonym in Straßburg wüssle, in Colmar wìmmle. Dem Hochdeutschen ’proppenvoll’ entspricht dann in Bern gràglet vou / voll: Da Boum isch gràglet vou / voll Bire. Im Süden des Elsass ist der besagte Baum dann gruttligvoll oder gràgligvoll, in Colmar grùtzvoll. Kleine Nuance am Rande: Wenn ein Colmarer küftigvoll benutzt, dann spielt er eher auf ein bis an den Rand gefülltes Gefäß an, oder auf einen überfüllten Saal. Eine Steigerung ist immer möglich. Den Beweis liefern die Elsässer aus Mulhouse oder Sierentz: Ist etwas noch voller als voll, dann ist es eben gruttlebüddikvoll!

E. Zeidler, E.P. Meyer, T. Heitlinger, W. Wurth

Quelle:

Mit freundlicher Genehmigung durch:

Rheinblick (c) 2025 , elsässisches Wochenmagazin‌, Beilage des Tageszeitungen L’Alsace und Dernières Nouvelles d’Alsace (DNA)

1 Kommentar

  1. Angelika

    zu „grattle“ hätte ich noch eine Frage: wird es wirklich als Adjektiv gebraucht u. wie könnte dann so ein Satz lauten ?
    Weil ich kenne nur „graddle“ im Sinne von krabbeln …gloine Kinner z.B. graddle mol erscht e ganzi Zeit uff’m Bodde rum, bevor si s‘ Laafe lerne