2. Februar 2025

Edgar Zeidler’s Sprachstub: Geh, goh, gàng

Edgar Zeidler

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Geh, goh, gàng

Über kuriose Verwendungen des Verbs gehen

Das Verb gehen geht im Dreyland mitunter seltsame Wege. Im Norden des Elsass sagt man: „Ich geh!“ Im Süden: „Ìch gàng!“ Im Sundgau: „Ìch goh!“ Das südelsässische gàng offenbart seine Nähe zum Althochdeutschen gangan bzw. gān und zu dessen Befehlsform: ganc! Die Aufforderungen von Nord bis Süd erklingen so: „Geh weg! Geh ewag! Gàng ewag! Goh ewag!“
Obacht! Wenn eine Person zu Ihnen sagt:“ Gàng m’r ewag!“, heißt es nicht, dass Sie ihr aus dem Weg gehen sollen, sondern dass sie Ihnen nicht glaubt.
Noch merkwürdiger ist die Verwendung von geh in manchen Situationen, die auf den ersten Blick als „doppelt gemoppelt“ erscheinen mag. Der Vàtter geht ge schàffe. Diese Wiederholung findet man auch häufig in Verbindung mit Modalverben. Der Vàtter müess, soll, wìll, mächt, derf, kà ge schàffe. Der Unterschied zwischen: „Der Vàtter wìll ge schàffe“ und „Der Vàtter wìll schàffe“ liegt auf der Hand. Im ersten Fall verstehen wir, dass der Vater im Begriff ist, das Haus zu verlassen, um zur Arbeit zu gehen. Im zweiten handelt es sich um eine allgemeine Intention, wobei nicht präzisiert wird, ob der Vater deswegen das Haus verlassen muss.
Was ein Kraichgauer von seiner Frau aus dem Markgräflerland zuerst lernen muss, ist die Aufforderung „Gang goh!“Diese Wortschöpfung ist die Kurzform von „Gang goh hole“, also eine konkrete Anweisung, niedrige Dienste i.d.R. unverzüglich zu erledigen.
Im Kleinen Wiesental wird s „go“ bruucht wien e „um zu“. De Vatter goht go schaffe. Und go kann durchaus wiederholt werden. „I gang go de Dreckchübel go leere“. Das Infinitiv go wird auch mit der Befehlsform Gang!, verbunden: „Bittschön, gang go mer e Hampfle Härdöpfel us em Cheller hole. Kann schon sein, dass der Betroffene antwortet: „I mach doch nit allewiil di Gango!“. So ist der Begriff im mündlichen Alemannischen fest verankert und ergänzt grinsend die Redewendung: „I bi doch nit allewiil de Tätschmer (tätest du mir) un de Gango!“
In Berndeutsch geht’s trotz „stop and go“ zuweilen auch wild her: „Gö mer éis ga zie!“, Gehen wir doch etwas trinken! Oder: „I ga hurti ga poschte.“, ich gehe noch schnell einkaufen.
Ein Basler Freund im Ruhestand ist „sälber e Mitgliid vo Ganggo-Club, nämmlig, wo alli bangsionierte Männer derzue ghööre, wo dörfe go iikaufe fürs Mammi.
Tja, Mundart geht manchmal eigenartige, verschlungene Wege…

E. Zeidler, T. Heitlinger, P. Obrist, M.M. Jung, E.P. Meyer

 

Quelle:

Mit freundlicher Genehmigung durch:

Rheinblick (c) 2025 , elsässisches Wochenmagazin‌, Beilage des Tageszeitungen L’Alsace und Dernières Nouvelles d’Alsace (DNA)

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