28. August 2021

Der Untergàng vom Owelànd

Edgar Zeidler

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Der Untergàng vom Owelànd
Afghanistan und der nicht sehr glorreiche Abzug der Westmächte, allen voran der USA, erinnert mich plötzlich an den Kulturhistoriker Oswald Spengler (1880-1936), dessen Hauptwerk, Der Untergang des Abendlandes (1918-22), ich als Germanist an der Uni studiert hatte.
Ìsch dàs, wàs sich ìn Àfghànischtàn àbspìelt e witteri Illüschtràtion vom Untergàng vom Owelànd, so wie’s schon ìm letschte Johrhundert der Oswald Spengler analysiert hät?1
Àlgeria, Syria, Irak, Libanon, Libye, àlles Kriej, wo sich s Owelànd verrannt hät. Wenn üss Indochinà, Korea, Vietnam un Àfgànischtàn Frànkrich un d USA üss Lander verjàgt ware, wo sìe vergablig versüecht han, ìhri Zivilisàtion un Wartvorstellung ìn framde Kültüre uffzezwìnge, ìsch’s villicht heechschti Zitt, ìwer der Begrìff „Untergàng vom Owelànd“ nohzedanke, aui wenn der Oswald Spengler durich sini nìt gràd judefrìndligi Üssàje hìtte sìcher e schlachte Rüef hät.
Der Spengler kennzeichnet d Waltgschìcht àls standiger Uffstiig un Nìdergàng vo Kültüre un Zivilisàtione. Ar versüecht ìn sim Büech, d gsàmt Kültürgschìcht ze erkläre un kìnftigi Entwìcklunge vorüsszesàje. Dia Prognos formuliert d beriehmt Thès vom „Untergàng“. Dàs Wort soll àls notwandiger un natirliger Àbschluss von ere Blietezitt verstànde ware. Druff folgt e längeri Àbstiigszitt, wo mìt der „Fellachen-Unkültür“ ande düet. D „Fellachenvälker“ verzìchte uff Gwàlt un ware wahrend em sognànnte Waltfrìde ìn Màsse àbgmorickselt. Dia Välker resigniere un süeche Züeflucht ìn nèie Forme vo Religiosität. Mìt em Nìdergàng vo der Frèiheitsidee sèig aui der Ràtionàlismus diskreditiert un d „Fellachen“ häige wìdder Àppetit uff Metaphysik.
Der Spengler identifiziert nin Hochkültüre:
1. D ägyptisch Kültür: sitter ca. 2600 v. Chr.
2. D bàbylonisch Kültür: sitter ca. 2600 v. Chr.
3. D indisch Kültür: sitter 1500 v. Chr.
4. D chinesisch Kültür: sitter 1400 v. Chr.
5. D Àntike, àlso d griechich-reemischi Kültür: sitter 1100 v. Chr.
6. D àràwisch Kültür mìt der friehjchrìschtlig un byzàntinisch Kültür, sitter der Geburt vom
Chrìschtüs.
7. D àztekisch Kültür: sitter ca. 200 n. Chr.
8. D owelandisch Kültür: sitter 900 n. Chr., ìn Weschteuropa, speeter aui Nordàmerikà.
9. D rüssisch Kültür.
Der Sìnn vo der Gschìchte erfìllt sich ìm Ware un Vergeh vo dane Hochkültüre, un nìt lineàrisch, wie ìm Schema Àltertum – Mìttelàlter – Nèizitt.
D letscht Phàs von ere Kültür nannt Spengler „Zivilisàtion.“ D Zivilisàtion sèig der Tod vo der Kültür, gnauier formüliert: Der Kültürtod vollandet sich, ìndam d Kültür ìn d Zivilisàtion ìwergeht. Der spot Züestànd vo der Zivilisàtion chàràkterisiert der Spengler eso:
– Unkenntnis vo der Gschìcht
– ìmmer greesere Àteil vo de Àlte, d Gsellschàft wurd ìmmer älter
– ìn jedem Bereich verkràmpft s Lawe, wo ìmmer kìnschtliger wurd
– Herrschàft vo der ànorgànisch Waltstàdt ìwer s làwandige, vo der Büre geprägte Làndlawe
– kàlter Tàtsàchesìnn àm Plàtz vo der Ehrfurcht vor em Ìwerlìferte
– Màteriàlismus un Irreligiosität
– chaotischi Sìnnligkeit, machtigi Unterhàltungsìndüschtrie
– Zammebruch vo der Moràl un Tod vo der Kunscht
– Zivilisàtionskriej un Vernìchtungskampf
– Imperiàlismus un Uffkomme vo formloser Gwàlt
Ìn jedere Kültür gìtt’s Phàse vo Waltkriej, bàrbàrischi Gwàltorgie un Kampf um die Andherrschàft. Nohnem Ìwergàng vo der Kültür ìn die Zivilisàtion düet d kültürfähig Bevölkerung làngsàm verschwìnde. Dàs pàssiert entwadder durich Salbschtzersteerung ìn Vernìchtungskriej, oder ìndam àss d Prodüktion vo Nohkomme vernohlassigt wurd durich der Dràng numme noch àls Individuum ze exischtiere. D ehemàlige Kültürgebieter ware àm And vo primitivi, nìt entwìcklungsfähigi Volksmàsse bewohnt, d „Fellachen.“
Ìm Büech vom Spengler, won i àls junger Germànìscht gstüdiert hà, glauiw i e Erklärung ze fìnde, worum àss es Owelànd sich ìm Morjelànd un ìn Àsie d Fìnger verbrennt hät. Der Spengler glauibt namlig nìt, àss es zwìsche verschìdene Kültüre e wìrkliger Üsstüsch oder e gejjesittigi Befruchtung kàt ga. Un dàs gejjesittige Nìt-Versteh fiehrt ìmmer wìdder zu Kültürkriej. So schauit der modern Europäer oder der US-Àmerikàner ìweràll durich d Brìll „Verfàssung“, „Pàrlàmant“, „Demokràtie“, „Liberàlismus“ uff framdi Schìcksàl, un wìll nìt begriffe, àss d Àwandung vo sine Vorstellunge uff ànderi Kültüre lacherlig un sìnnlos ìsch.
Düet dàs, wàs sich gràd ìn Kaboul àbspìelt, jetz sini Brìllegläser putze? Ich zwifel drà, wie n ich drà zwifel, àss ar iseht, àss der Boomeràng-Effakt vom Klimawàndel ìhm zeigt, àss ar ìn der Arde siner màteriàlìstisch, energiefrassend Laweswàndel nìmm làng uffzwìnge kàt.

EZ, 27/08/21

Glossar

s Owelànd, das Abendland
vergablig, vergeblich
Üssàje, Aussagen
Uffstiig, Aufstieg
Blietezitt, Blütezeit
ìm Ware un Vergeh, im Werden und Vergehen
àbgmorickselt, abgeschlachtet
s Ìwerlìferte, das Überlieferte

1 Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte ist das kulturphilosophische Hauptwerk von Oswald Spengler. Der erste Band Gestalt und Wirklichkeit wurde von 1918 an in erster und zweiter Auflage im Verlag Braumüller in Wien herausgegeben, der zweite Band Welthistorische Perspektiven erschien 1922 beim Verlag C. H. Beck in München

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